Als ich Milan Kundera fragte, ob er sich irgendwann mit Bohumil Hrabal getroffen habe, war ich mir einer Antwort nicht sicher.
Wir haben scheinbar radikal unterschiedliche Autoren vor uns. Unterschiedlich im Stil und auch in ihrer Selbstdarstellung. Gegenüber dem gesprächigen, auf eine fast assoziative Sprachbewegung gegründeten Stil Hrabals, der auf diejenigen gerichtet ist, die auf der historischen Leinwand an der Peripherie stehen, haben wir hier Kunderas rationell errichtete fiktive Welt, die versucht, sich dem semantischen Fluss anzupassen, ohne damit allerdings die bedeutende Offenheit des Werks zu stören; und im Mittelpunkt seiner Romane stehen meist diejenigen, die in das Räderwerk der Geschichte geraten, in Reichweite geschichtlicher Ereignisse und Veränderungen. Während es Hrabals Helden meistens gelingt, ihren rettenden Platz in der Auseinandersetzung mit der Welt zu verteidigen, ist Kunderas Figuren diese Möglichkeit nicht gegeben. Dem anhaltenden Optimismus der Hrabal’schen Texte stehen so die konsequenten Tragödien der Texte Kunderas gegenüber. Gegen die Hrabal’sche Kneipengesellschaft, in der sich Gesprächsfetzen von Buddhismus über Existentialismus, von der Romantik bis zur Klärgrube mischen, steht hier Kunderas mitteleuropäisches Kaffeehaus – auf das feste Fundament intellektueller Autoritäten der Entfaltung des Romangenres gestellt. Entgegen dem Hrabal’schen schwadronierenden, „bafelnden“ Verweilen, oft allerdings ein Verweilen durch Illusion oder auch Intriganz, steht im öffentlichen Raum das von Kundera gewählte Gleichgültigwerden eines Schriftstellers als ein Mensch, der außerhalb des Werkes existiert. Also genau so, wie es seinerzeit James Joyce im Sinne hatte, als er schrieb, dass der moderne Romancier sich hinter sein Werk zurückziehen muss, - und sich über den Dingen stehend und gleichgültig die Nägel schneiden soll. Einfach gesagt: Dem Liebhaber des Biers sitzt der Liebhaber des Weins gegenüber.
Ich weiß nicht, was sie verbindet außer der Tatsache, dass sie aus dem Rahmen der Nationalliteratur herausgetreten und zu einem unbestreitbaren Bestandteil der Weltliteratur geworden sind. Darüber besteht kein Zweifel und muss nicht bewiesen werden. Dennoch schulden wir ihnen noch eine Menge Arbeit. Als Leser, aber auch als Forscher. Ihr Werk bleibt in der Semiotik des modernen Romans ständig offen. Und weil sie in beiden Fällen im europäischen Existentialismus wurzeln, verbindet sie das Interesse an der Existenz des Menschen, der aber in ihren Texten immer als eine Frage modelliert ist, als ein experimentelles Geschöpf in universellen oder auch archetypischen Momenten von Prüfungen, die unser intimes oder öffentliches Leben auch uns auferlegt. Und hier liegt wohl der Schlüssel dieser ständigen Offenheit zu einem mehrmaligen Lesen. Selbstverständlich ist das auch durch ihre Arbeiten mit der Literatur als ein nicht teilnahmsloser Bau, als eine Form gegeben, die sich dauernd hinter die Grenze stabilisierter literarischer Normen begibt.
Ich weiß nicht, was sie Gemeinsames haben, aber vielleicht gerade deshalb sind wir heute hier. Gern möchte ich der Leipziger Universität danken, dass sie sich der Konferenz angenommen hat, und dass sie diese nicht nur organisatorisch und räumlich abgesichert hat, sondern dass es ihr auch gelungen ist, solch großes Interesse zu wecken. Die Leipziger Konferenz ist ein Teil des Tschechischen Jahres der Kultur in den deutschsprachigen Ländern. Sie ist einer der Beiträge, deren Bedeutung nicht verblassen wird, sondern langfristig in der intellektuellen Atmosphäre gegenwärtig ist. Und vielleicht zu weiteren Ereignissen inspiriert.
Milan Kundera und Bohumil Hrabal haben sich wiederholt getroffen: In Kersk, in Prag, und Hrabal war auch in Paris zu Besuch. Zuletzt war es wohl gerade in Paris, am 14. September 1984. Bei dieser Gelegenheit widmete er Milan Kundera seine „Bafler“. Die Widmung im Buch trägt gerade dieses Datum. So werden sich also nun diese beiden Welt-„Brünner“ wieder treffen. Nicht in Paris, nicht in Prag, nicht in Kersk – sondern in Leipzig. Ich glaube, dass ihnen dieses Treffen Freude bereiten würde!
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