Moderner Klassiker der tschechischen Literatur:
Jiří Gruša (1938 – 2011) war Prosaautor, Essayist und Lyriker, Dissident und Diplomat. Er studierte Philosophie und Geschichte an der Prager Karls-Universität. In den 1960er Jahren war er für mehrere Zeitschriften tätig, veröffentlichte erste literarische Arbeiten und engagierte sich im Prager Frühling. Nach dessen Niederschlagung erhielt er Berufsverbot, nach Unterzeichnung der Charta 77 wurde er verhaftet, konnte die Tschechoslowakei 1978 verlassen, emigrierte zunächst über Kanada in die USA, später nach Deutschland. Nach der Samtenen Revolution wurde er Botschafter in Bonn, Bildungsminister in Prag, Leiter der Diplomatischen Akademie in Wien und Präsident des P.E.N. International.
Seine erste Gedichtsammlung Torna erschien 1962, zu seinen bekannteren lyrischen Werken zählen Modlitba k Janince (1975) und Grušas Wacht am Rhein aneb Putovní Ghetto, für das er 2002 den Magnesia Litera erhielt. Als Prosaautor trat er 1969 mit der experimentellen Groteske Mimner anebHra o Smrďocha in Erscheinung, die ihm wegen angeblicher Pornografie gleich Probleme mit den Behörden einbrachte. Ein weiteres Experiment war eine Anti-Utopie nach Vorbild von George Orwell, der Roman Dotazník aneb Modlitba za jedno město a přítele, der 1975 im Samisdat erscheinen musste. Im Jahr seines Todes veröffentlichte Gruša sein letztes, in deutscher Sprache verfasstes Werk, das Essay Beneš als Österreicher, eine kritische Auseinandersetzung mit diesem tschechoslowakischen Präsidenten.
Auf Deutsch erschienen:
Gesammelte Werke in 10 Bänden, hrsg. von Hans-Dieter Zimmermann und Dalibor Dobiaš, Wieser Verlag 2014–2018
mit Eda Kriseová und Petr Pithart: Prag – einst Stadt der Tschechen, Deutschen und Juden, übers. von Joachim Brus, Langen Müller 1993
Als ich ein Feuilleton versprach. Handbuch des Dissens und Präsens– Essays, Überlegungen und Interviews der Jahre 1964–2004. Hrsg. und übers. von Michael Stavarič, Czernin Verlag 2004
Foto: Václav Gruša